
Schleswig-Holstein Klingbeil in Husum: Scharfe Kritik von der SPD-Basis in SH
Nachdem der Co-Bundesvorsitzende schon gestern in NRW hart attackiert wurde, fiel der Ton auch auf dem Parteitag der Nord-SPD teilweise rau aus.
Lars Klingbeil ahnte wohl schon, dass es auf dem SPD-Parteitag in Husum (Kreis Nordfriesland) eine lebhafte Diskussion werden würde. "Ich weiß, es sind turbulente Tage. Wir haben Euch viel abverlangt", sagte der neue Bundesvizekanzler und Finanzminister mit Blick auf den Koalitionsvertrag und die Regierungsbildung. In seiner Rede gestand er Fehler ein, hob aber auch die Erfolge der SPD hervor. Die Aufarbeitung des historisch schlechten Wahlergebnisses soll laut Klingbeil trotz Regierungsbeteiligung kommen: "Das verspreche ich euch, wir werden Konsequenzen aus diesem Ergebnis ziehen."
Jusos: SPD soll raus aus der Mitte
Und dann kamen die Jusos. Deren Landesvorsitzender Jannis Schatte attackierte Klingbeil scharf und wies auf einen Satz aus dem SPD-Grundsatzprogramm hin: Die SPD sei eine "linke Volkspartei" - und eben nicht eine Partei der Mitte. Schon im Wahlkampf habe er es kaum ertragen können, so Schatte, dass die Partei den Rechtsextremen nach dem Mund geredet habe - gemeint ist die Asylpolitik.

Nicht einverstanden mit der Migrationspolitik der SPD: Juso-Co-Chef Jannis Schatte.
Aus der Arbeitsgemeinschaft der Frauen kam Kritik am Umgang mit Co-Parteichefin Saskia Esken. Sie hatte keinen Posten im Bundeskabinett bekommen. Klingbeil dagegen wurde Finanzminister und Vizekanzler.
Politische Kampfansage - und dann schlug die Stimmung um
Die stellvertretende Juso-Vorsitzende Luana Marsau nannte es eine "politische Kampfansage von der Basis" - und forderte die Trennung von Parteivorsitz und Regierungsamt. Der "Tiefpunkt der Partei" dürfte nicht zum Höhepunkt der Karriere von Einzelnen sein, so Marsau. Andere sprachen bei Klingbeil vom "Architekten des Misserfolgs" bei der Bundestagswahl.

Höflicher Applaus für den Co-Bundesvorsitzenden: Lars Klingbeil betritt mit Landeschefin Serpil Midyatli den Saal.
Was zuerst noch für lauten Jubel im Saal sorgte, stieß anderen übel auf: Sie kritisierten die persönlichen Angriffe und betonten die Erfolge der SPD - wie etwa das Sondervermögen zum Infrastrukturausbau. Der Ahrensburger Bürgermeister Eckart Boege bat Klingbeil um eine möglichst unbürokratische Umsetzung.
Bildung, Kita, Gesundheit und Wohnen werden als wichtigste Punkte genannt. Im Bildungsbereich will die SPD den Sanierungsstau an Schulen auflösen und mehr Personal einstellen. Kitas sollen beitragsfrei werden. Medizinische Versorgung soll wohnortnah sein.
Zum Thema Wohnen haben die Delegierten einen Antrag beschlossen, nach dem das Land wieder eine Wohnungsbaugesellschaft bekommen soll. Die Mittel für sozialen Wohnungsbau sollen aufgestockt werden. Außerdem soll die Landesbauordnung vereinfacht werden.
Kritik gab es an der geplanten Justizreform der Landesregierung: Die Delegierten stimmten für einen Antrag, nach dem Gerichtsstandorte in der Fläche erhalten bleiben sollen.
Die Nord-SPD fordert außerdem, dass es auf Bundesebene weiterhin eine Doppelspitze geben soll.
Bitte um Solidarität - auch innerhalb der SPD
Der Landtagsabgeordnete Thomas Hölck nahm Klingbeil in Schutz und stellte die Frage in den Raum: "Was wäre denn passiert, wenn die Regierung nicht zustande gekommen wäre?" Nur eine solidarische SPD könne den Menschen wirklich helfen, sagte er unter Applaus. Auch der langjährige Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner sprang in die Bresche und warb für Solidarität - auch innerhalb der Partei. Denn: "Die Alternative dazu heißt rechts!"
Klingbeil hält das aus, bittet aber um Fairness
Um eine faire Diskussion bat am Ende auch Klingbeil selbst: "Lasst uns das bitte ohne persönliche Beleidigungen machen." Er verwahrte sich vor allem gegen den Vorwurf, die Partei habe rechtsextreme Narrative übernommen. Die kritische Diskussion, sagte Klingbeil, finde er aber gut und die halte er auch aus: "Das gehört zu meiner Jobbeschreibung."
In Empfang genommen wurde Klingbeil vor Beginn des Parteitags vom Bundestagsabgeordneten Tim Klüssendorf. Er wird als möglicher nächster Generalsekretär gehandelt. Ob das so ist, will Klüssendorf nicht beantworten: "Das müssen Sie den Parteivorsitzenden fragen."

Tim Klüssendorf: Der Bundestagsabgeordnete macht keine Ansage zu den Spekulationen, dass er nächster SPD-Generalsekretär werden könnte.
Der blieb am Ende länger als geplant, um mitzudiskutieren, gab noch ein kurzes Statement ab und musste dann zügig zum nächsten Termin.
Landesvorstand mit schwachen Ergebnissen gewählt
Am Sonnabend (10.5.) hatte die Nord-SPD ihren Vorstand neu gewählt: Serpil Midyatli bleibt Vorsitzende. Die Delegierten wählten sie mit 61,19 Prozent erneut an die Spitze des Landesverbandes. Aber rund 32 Prozent stimmten gegen sie - ein spürbarer Rückschlag. Bereits 2023, nach der verlorenen Landtagswahl, hatte sie in Husum nur etwa 65 Prozent erhalten.
Für mich ist es auf jeden Fall ein Auftrag, dass wir besser werden wollen mit klarer Sprache und mit einer klaren Haltung."
— Serpil Midyatli, Parteivorsitzende SPD Schleswig-Holstein
Auch Kämpfer verliert Stimmen - Venzke neue Stellvertreterin
Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer wurde mit rund 78 Prozent der Stimmen als stellvertretender Vorsitzender bestätigt - ebenfalls ein schwächeres Ergebnis als 2023 (93 Prozent). Neu in der Parteiführung ist Maybrit Venzke von den Jusos aus Pinneberg, die ebenfalls zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde.
Im Herbst entscheidet eine Mitgliederbefragung, wer die SPD als Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat in die Landtagswahl führt - Midyatli und Kämpfer treten gegeneinander an. Midyatli will ihr Wahlergebnis nicht als schlechtes Omen für die Urwahl sehen: Für sie sei es vielmehr ein Auftrag, die Partei besser zu machen - mit klarer Haltung und klarer Sprache.

Ulf Kämpfer, der Kieler Oberbügermeister, ist Serpil Midyatlis Konkurrent bei der Urwahl.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 11.05.2025 | 13:00 Uhr