Die neue Jahresausstellung an den Franckeschen Stiftungen Halle zeigt bisher ungesehene Schätze aus der Wunderkammer

Sachsen-Anhalt Franckesche Stiftungen zeigen Kurioses aus der Wunderkammer

Stand: 10.05.2025 04:00 Uhr

Wundersames, Kurioses und Meilensteine der Wissensgeschichte: Die neue Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen Halle zeigt bisher ungesehene Schätze aus der 300 Jahre alten Kunst- und Wunderkammer – aus moderner Perspektive. So geht es um ein wegweisendes Ordnungssystem, das Vieles über die bisherige Wissensgeschichte vermittelt.

Von MDR Kulturdesk

Die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle ist eine der besterhaltenen Universalsammlungen aus der Frühen Neuzeit in Europa. Am Samstag wird die neue Jahresausstellung "300 Jahre Neugier. Verborgenes Wissen aus der Wunderkammer des Waisenhauses" eröffnet.

Vor 30 Jahren wurde die berühmte Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen wiederentdeckt, detailgetreu rekonstruiert und wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Anlässlich dieses Jubiläums soll die Wunderkammer nun aus dem Blickwinkel der Gegenwart präsentiert werden.

Vier Besucherinnen betrachten verschiedene Vitrinen in einer Ausstellung. Im Vordergrund ist das Bild eines historisch gekleideten Mannes zu sehen.

Unter dem Titel "300 Jahre Neugier" präsentieren die Franckeschen Stiftungen Halle ihre Wunderkammer neu.

Moderne Bedienungsanleitung für historische Wunderkammer

Wie Kurator Holger Zaunstöck im Gespräch mit MDR KULTUR sagte, soll die Jahresausstellung nicht die Geschichte der Wunderkammer erzählen, sondern vielmehr eine Art moderne Bedienungsanleitung geben. "Die Philosophie unserer Ausstellung ist, neue Erkenntnisse zu präsentieren, neues Wissen zu zeigen, verblüffende Geschichten zu erzählen. Objekte, die kaum bekannt waren, ans Tageslicht zu holen, tagesaktuelle Fragen zu debattieren, wie Postkolonialismus und Natur und Mensch und andere Dinge", sagte Zaunstöck.

Die Besucherinnen und Besucher lernen in sieben thematisch aufgebauten Räumen zunächst, wie die sogenannte Wunderkammer aufgebaut war.

Kunst- und Wunderkammer (Zum Ausklappen)

Die Kunst- und Wunderkammern gelten als Vorläufer der heutigen Museen. Ihr Inhalt spiegelte das vorwissenschaftliche Weltverständnis des 16. Jahrhunderts wider. Artefakte und natürliche Gegenstände wurden als Abbild einer neuen irdischen Ordnung en miniature präsentiert.

Eine Frau mit weißen Handschuhen blättert in einem historischen Buch.

300 Jahre ist die Wunderkammer bereits alt, dennoch eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven.

Besonderheit in Halle: Ordnungssystem von Carl von Linné

Etwa 3.300 Exponate umfasst die Wunderkammer heute, vor 300 Jahren waren es noch rund 5.000. Rund 150 Objekte wurden für die neue Schau aus der Wunderkummer geholt. Die Ausstellung zeigt nicht nur ausgewählte Objekte, sondern auch das ausgeklügelten Ordnungssystem ihrer Lagerung – unter anderem anhand eines detailgetreuen Nachbaus der Schränke, die um 1740 für die Objekte gefertigt worden sind.

Das Besondere an der Wunderkammer in Halle ist: Hier wurde erstmals in einem musealen Raum das damals revolutionäre Ordnungssystem von Carl von Linné angewendet, das sich als "Systema Naturae" bis heute erhalten hat. Das System sei ständig nach den neusten Erkenntnissen erweitert worden, sagte Ko-Kurator Tom Gärtig. Das sei unter anderem an einem großen Walknochen zu erkennen.

Ausstellung zeigt Brüche in der Wissensgeschichte

"Da ist eine Signatur angebracht, die diesen Knochen dem Reich der Säugetiere zuordnet. Aber wenige Jahre zuvor galt der Wal noch als Fisch, und das kann man an der ausgekratzten Signatur sehen", sagte Gärtig. Die habe dem alten Sammlungskatalog zufolge noch auf Fische hingewiesen. An solchen Objekten könnten die großen Brüche der Wissensgeschichte ganz konkret nachvollzogen werden.

Andere Exponate hingegen geben bis heute Rätsel auf, auch für die Kuratoren. So etwa ein getrockneter und bemalter Glattbutt, der schon in Gästeführern aus dem 18. Jahrhundert als eines der Highlights präsentiert wurde.

Weitere Informationen

"300 Jahre Neugier. Verborgenes Wissen aus der Wunderkammer"
Neue Jahresausstellung in den Franckeschen Stiftungen Halle

Öffnungszeiten:
11. Mai 2025 bis 06. April 2026
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr

Ort:
Haus 1 - Historisches Waisenhaus
Franckeplatz 1 | 06110 Halle

Quellen: Franckesche Stiftungen, MDR KULTUR (Sandra Meyer), redaktionelle Bearbeitung: nvm