
Nordrhein-Westfalen Warum immer noch über die Bezahlkarte gestritten wird
Die Bundesländer stellen die Zahlungen an Flüchtlinge um, doch die Debatte über den Sinn der "Socialcard" geht weiter.
Seit Jahresbeginn gibt es in NRW eine Bezahlkarte, über die Flüchtlinge ihre Sozialleistungen bekommen. Die so genannte "Socialcard" soll die bisher üblichen Bargeld-Auszahlungen ablösen. Momentan wird sie nur an Menschen ausgegeben, die in Flüchtlingsunterkünften des Landes leben. Laut NRW-Flüchtlingsministerium wurden bislang rund 17.000 Karten in den Landeseinrichtungen ausgegeben.
Ab dem Sommer soll die Karte auch an Flüchtlinge ausgegeben werden, die bereits den Kommunen zugeteilt sind. Allerdings können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie sich an dem System beteiligen wollen oder nicht. Einige Städte haben sich bereits dagegen entschieden, aus unterschiedlichen Gründen.
Weshalb wollen einige Kommunen die Karte nicht nutzen?
Viele Kommunen befürchten, dass die Einführung der Karte mit großem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist. Das Land betont dagegen, dass die Kommunen die Karte kostenneutral einführen könnten – und auch der Verwaltungsaufwand durch die Karte nicht größer ist als durch die bisherigen Bargeld-Auszahlungen.
Manche Kommunen befürchten auch, dass die Einschränkungen der Zahlungsmöglichkeiten umgangen werden könnten. Der Bürgermeister von Langenfeld, Frank Schneider (CDU), kritisiert in einem Schreiben an die Landesregierung, dass man von der Bezahlkarte Geld auf andere deutsche Konten überweisen kann. Wenn Flüchtlinge ein eigenes Girokonto haben oder das von Freunden nutzen, könnten sie auf diese Weise mehr Bargeld bekommen als eigentlich vorgesehen. Der Politiker fordert deshalb, die SEPA-Funktion (Überweisung und Lastschrift) der Bezahlkarte abzuschalten.
Es gibt auch andere Wege, die Bargeld-Grenze zu umgehen. Zum Beispiel, indem man mit der Karte Gutscheine oder Waren kauft, die später gegen Geld getauscht werden.
Wie steht die Landesregierung zur Kritik?
Das NRW-Flüchtlingsministerium hält die SEPA-Funktion für zwingend nötig: in einem Antwortschreiben an die Stadt Langenfeld verweist Ministerin Josefine Paul (Grüne) darauf, dass bestimmte Dienstleistungen ohne Möglichkeit von Überweisung oder Lastschrift nicht bezahlbar wären. Als Beispiele nennt das Ministerium das Deutschlandticket, Schulessen oder manche Handyverträge.
Lösen könnte man diese Probleme durch Black- oder White-Lists. Dabei würden Überweisungen entweder nur an festgelegte Konten erlaubt (White-List) oder an bestimmte Konten explizit ausgeschlossen (Black-List).
Laut Flüchtlingsministerium arbeitet der Dienstleister, über den die Bezahlkarte für 14 Bundesländer läuft, derzeit an einer Blacklist-Lösung.
Wie funktioniert die Bezahlkarte in NRW?
Die "Socialcard" ist eine Visa-Debitkarte auf Guthaben-Basis. Der Staat überweist jeden Monat die Sozial-Leistungen für den Inhaber und ggf. auch für Familienangehörige direkt auf die Karte.
Die Nutzer können sie wie jede andere Karte zum Beispiel beim Bezahlen im Supermarkt oder auch in Onlineshops einsetzen. Außerdem können pro Person bis zu 50 Euro Bargeld im Monat abgehoben werden. Nicht möglich sind laut NRW-Landesregierung Überweisungen ins Ausland.
Wer soll die Bezahlkarte nutzen?
Die Bezahlkarte wird in NRW an alle Menschen ausgegeben, die in landeseigenen Flüchtlingsunterkünften leben. Ausgenommen sind Flüchtlinge, die bereits erwerbstätig oder in einer Berufsausbildung sind.
Künftig sollen auch Kommunen die Karte für alle Personen einführen können, die Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.
Warum wird die Bezahlkarte überhaupt eingeführt?
Beschlossen wurde die Einführung der Bezahlkarte vom Bund und von den Ministerpräsidenten der Länder im November 2023. Damals wurden zwei Ziele genannt: eine reduzierte Bargeld-Verfügbarkeit für Asylbewerber, damit diese das Geld nicht in ihre Heimatländer schicken können. Und weniger Verwaltungsaufwand für die Kommunen, weil die bisherigen Bargeld-Auszahlungen wegfallen und das Geld stattdessen überwiesen wird.
Unsere Quellen:
- Kritik der Stadt Langenfeld
- schriftliche Antwort des NRW-Flüchtlingsministeriums auf die Langenfelder Kritik
- Stellungnahme aus dem NRW-Flüchtlingsministerium
- NRW-Gesetz zur Bezahlkarte
- eigene Recherche