Enttäuschung pur: die Frankfurter Fußballer nach dem Abpfiff.

Hessen Nach Remis gegen St. Pauli: Eintracht Frankfurt in der Schockstarre

Stand: 12.05.2025 06:54 Uhr

Die Eintracht vergibt ihren zweiten Champions-League-Matchball - mit einem unforced error. Nun wartet das Finale in Freiburg. Halten die Frankfurter Nerven dem Druck stand? Das Remis gegen St. Pauli gibt Anlass zur Sorge.

Von Daniel Schmitt

"Es ist die beste Spielzeit für Eintracht Frankfurt seit mindestens 25 Jahren. Die Art und Weise des Fußballs ist sehr ansehnlich. Dazu kommt: Was hat man uns denn bitte vor der Saison zugetraut?" Es ist dies keine aktuelle Verteidigungsrede, nicht mal eine vom Sonntagabend, als der hessische Fußball-Bundesligst im eigenen Stadion erneut die Riesenchance auf den Einzug in die Champions League recht simpel vergab, mit einem schnöden 2:2 gegen den FC St. Pauli.

Nein, geäußert hat sich so vor rund vier Jahren der einstige SGE-Manager, Fredi Bobic. Er wollte, ganz klar, kurz vor seinem Abgang sich nicht zu viel Schatten über eine lange Zeit strahlende Saison legen lassen, obwohl die Frankfurter mit einem beachtlich schwachen Endspurt die sicher geglaubte Königsklasse tatsächlich noch an Borussia Dortmund weiterreichte. Wiederholt sich Vergangenheit?

Ein Remis wird nötig sein

Ganz so weit ist es im Mai 2025 nicht, viel allerdings fehlt eben auch nicht mehr. Die Ausgangslage mit Blick auf die Tabelle: Gewinnt die Eintracht kommenden Samstag (15.30 Uhr) beim viertplatzierten SC Freiburg, spielt sie bald königlichen Fußball. Holt sie ein Remis, dann ebenfalls. Verliert sie jedoch, würde Freiburg sicher und Dortmund wahrscheinlich vorbeiziehen. Ohnehin genügt dem formstarken BVB ein Sieg mit einem Zwei-Tore-Vorsprung gegen bereits abgestiegene Kieler, um sicher in die Champions League einzuziehen.

Hängt die Spielzeit also am seidenen Faden, Herr Sportvorstand? "Wieso sollte sie?", antwortete Markus Krösche und fügte an: "Erstmal muss man doch sagen, dass wir eine richtig gute Saison spielen, wir haben 57 Punkte geholt. Natürlich hätten wir es gerne vorzeitig geschafft, aber jetzt geht es ganz normal weiter." Nüchterne Worte der Einordnung. Worte, die anno dazumal ein Fredi Bobic nicht hätte besser formulieren können.

Die Pressekonferenz nach dem Spiel Eintracht - St. Pauli

Schweigen im Stadtwald

Nun war natürlich offensichtlich, welch Ansinnen der heutige Frankfurter Sportchef hatte: Nerven bewahren, Zuversicht ausstrahlen, Überzeugung in die Öffentlichkeit tragen. Krösche sagte daher weitere Sätze wie: "Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen." Oder: "Wir sind nach einem Rückstand wiedergekommen." Und zuletzt: "Wir haben schon viele Knackspiele diese Saison gewonnen."

Die vergangenen beiden jedoch nicht. Konnte das Remis in Mainz als zufriedenstellend nachbesprochen werden, war das diesmal gegen die Hamburger nicht der Fall. Die Eintracht hat eindeutig ihren zweiten Matchball verhauen - sogar mit einem unforced error, um im Tennisjargon zu bleiben. Denn der Gegner trat seinem Tabellenplatz angemessen auf, also dürftig, und die Gastgeber waren dennoch nicht gut genug an diesem Tage. Als der finale Pfiff ertönte, sackten gleich fünf, sechs Eintracht-Profis auf dem Feld zusammen. Und dann lagen sie dort, regungslos, die Hände vor den Gesichtern, in einsamer Stille.

Tatsächlich nämlich ging es den meisten Fans im weiten Rund nicht anders, zumindest jenen der Eintracht. Sie schwiegen, bald zwei Minuten lang, mussten verdauen, was sie vorgesetzt bekommen hatten. Ein schwaches Spiel, ein enttäuschendes Ergebnis – und vor allem die Aussicht auf einen Nervenkrimi im Breisgau. Kollektive Schockstarre, zumindest vorübergehend.

Toppmöller bemängelt fehlende Lockerheit

Der Spielfilm ist derweil rasch erzählt: die Frankfurter Führung nach 23 Sekunden durch Rasmus Kristensen, zwei Hamburger Kontertore durch Manolis Saliakas (4.) und Morgan Guilavogui (16.), eine ziemlich lange um Fassung ringende Eintracht, der verdiente Ausgleich durch Michy Batshuayi (71.), überlegene und doch selten gefährliche Frankfurter, eine weitere Chance von Kristensen (86.), der Abpfiff.

"Das Learning ist“, sagte Trainer Dino Toppmöller, "dass eine gute Spannung, ein Top-Fokus, aber auch ein Schuss Lockerheit für solche Spiele notwendig sind." Letztere habe gefehlt, "wir wollten vielleicht zu viel erzwingen“. Einige Spieler kämpften sichtlich mit ihren Nerven ob des Drucks, anderen flatterten sie regelrecht davon.

Zu vielen Profis flattern die Nerven davon

Hugo Ekitiké etwa nahm mit Ausnahme der ersten Spielminute kaum an der Partie teil, Jean-Matteo Bahoya nicht mal das. Tuta agierte mitunter auf fachfremder Position als Stürmer, Ellyes Skhiri irgendwann nur noch mit Rückpässen. Ansgar Knauff sprintete reihenweise rein in die Gegenspieler, Nathaniel Brown sprintete zu selten. Schlicht zu viele Profis fielen ab im Vergleich zu ihrem Potenzial.

Auch zeigte sich einmal mehr, dass die Frankfurter im Bespielen eines tiefen Blocks, zu dem sich die Hamburger formierten, nicht über Königsklassen-Niveau verfügen. Nächste Woche in Freiburg, wenn der Gegner gewinnen muss, um an den Hessen vorbeizuziehen, könnte die Situation immerhin eine andere sein, vor allem eine mit mehr Räumen für schnelle Gegenstöße.

"Maximale Druck liegt bei Freiburg"

Trainer Toppmöller ging wie Manager Krösche auf das Erlebte eher zurückhaltend kritisch ein, rückte stattdessen schon das Spiel im Breisgau in den Fokus. Er freue sich darauf, sagte der Coach, wenngleich seine Miene das Gegenteil vermuten ließ. Dennoch: "Der maximale Druck liegt bei Freiburg, weil sie gewinnen müssen. Diese Ausgangssituation hätten wir, glaube ich, alle vor der Saison unterschrieben. Und für uns ist es vielleicht die Challenge, die die junge Mannschaft braucht, um schneller zu wachsen."

Im Mai 2021 übrigens ordnete Vorstandssprecher Axel Hellmann die trotz 60 errungenen Punkten letztlich verpasste Champions-League-Quali gegenteilig zum einstigen Manager Bobic ein, sagte wütend: "Wir hatten eine historische Chance. Wir haben versagt." Man ahnt es: Auch die Bewertung der aktuellen Runde hängt ein Stück weit am seidenen Faden. Die seit diesem Spieltag endgültig feststehende Teilnahme an der Europa League wäre nur ein schwacher Trost.