Foto eines stehenden Wolfes im Wald. Davor ein rotes Fadenkreuz, das auf seine Brust zielt. Zu den Rändern hin wird das Bild langsam schwarz.

Hessen EU-Beschluss zu leichteren Wolfs-Abschüssen sorgt für geteiltes Echo

Stand: 12.05.2025 19:44 Uhr

Immer wieder reißen Wölfe Nutztiere wie Schafe oder Ziegen. Gleichzeitig sind sie eine geschützte Art. Dass das EU-Parlament nun den Abschuss von Wölfen erleichtert, gefällt nicht jedem.

Wölfe sollen in der EU künftig leichter abgeschossen werden können. Dazu soll der Schutzstatus der Raubtiere gesenkt werden. Das hat vor kurzem das EU-Parlament beschlossen. Viele Länder wollen Wölfe vermehrt abschießen, um Weidetiere zu schützen. In Hessen stößt die Entscheidung auf ein geteiltes Echo.

"Endlich wird der Status des Wolfs herabgesetzt - das sind gute Nachrichten", begrüßte Hessens Jagd- und Agrarminister Ingmar Jung (CDU) das Abstimmungsergebnis im Europäischen Parlament. Die Entscheidung sei ein "wichtiger Erfolg" für Weidetierhalter und Landnutzer.

16 nachgewiesene Wolfsrisse

Seit Jahresbeginn 2025 hat das Wolfszentrum Hessen 25 sichere Wolfsnachweise gezählt. Gemeint sind damit Videos und Fotos von Wölfen in Hessen oder Wolfskot. Auch tot aufgefundene Wölfe waren darunter - und Fälle, in denen Wild- oder Nutztiere von Wölfen gerissen wurden.

Insgesamt 16 Risse wurden konnten nach Untersuchungen Wölfen zugeordnet werden, darunter Rehe, Mufflons, Gatterwild und Schafe. Das geht aus einer Auflistung des Landesbetriebs Hessen Forst hervor.

Das Wolfszentrum ist seit 2024 beim Landesbetrieb Hessen Forst angesiedelt, zuvor lag die Zuständigkeit beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG).

Wo Wölfe in Deutschland leben
Die Verbreitung von Wölfen sowie ihren Territorien in Hessen und im Bundesgebiet lassen sich auf der Übersicht bei der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) einsehen.

Die Zahl der von Wölfen gerissenen Tiere soll sinken. Wenn präventive Maßnahmen wie ein verbesserter Herdenschutz nicht ausreichten, "müssen wir gezielt gegen Problemwölfe vorgehen können", sagte Jagd- und Agrarminister Jung dem Hessischen Rundfunk auf Anfrage.

FFH-Richtlinie für Wölfe soll geändert werden

Grundlage dafür ist, dass der Schutzstatus von Wölfen von "streng geschützt" auf "geschützt" gesenkt wird. Das EU-Parlament stimmte mehrheitlich dafür. Die Maßnahme muss noch von den EU-Mitgliedsstaaten angenommen werden, das gilt aber als wahrscheinlich. Sie hatten sich bereits mehrheitlich für eine Absenkung ausgesprochen.

Hintergrund der Änderung ist ein Vorschlag der EU-Kommission, der auf frühere Forderungen des Parlaments zurückgeht. Konkret soll die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) in Bezug auf den Wolf geändert werden. So hätten die Mitgliedsstaaten mehr Spielraum im Umgang mit ihren Wolfspopulationen.  

Regierung argumentiert mit Schutz für Weidetierhalter

Der neue Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) begrüßte den Beschluss. Man werde für klare und praktikable Regeln sorgen, den Herdenschutz voranbringen und den Ländern einen rechtssicheren Abschuss ermöglichen.

Damit der Beschluss auf EU-Ebene in deutsches Recht überführt wird, sind Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz und gegebenenfalls im Bundesjagdgesetz notwendig.

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist festgehalten, dass die Entscheidung auf EU-Ebene unverzüglich in deutsches Recht übernommen werden soll. Man sorge für eine "rechtssichere Entnahme" von Wölfen und nehme diesen umgehend ins Jagdrecht auf, wie eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums sagte.

Minister Jung sieht Kurs bestätigt

Hessen hat diesen Schritt bereits im Oktober vorauseilend vollzogen, durch Zustimmung zu einer Gesetzesnovelle im Landtag.

Jung sagte dazu: "Wir haben in Hessen die Trendwende beim Umgang mit dem Wolf gesetzt, indem wir den Wolf bereits im vergangenen Jahr ins Jagdrecht aufgenommen haben. Diese Entscheidung war richtig und die erfolgte Änderung auf EU-Ebene bestätigt unseren Kurs."

Bauernverband: "längst überfällig"

Unterstützung dafür gibt es vom Hessischen Bauernverband. Die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes sei "ein längst überfälliger und wichtiger Schritt", wie Verband mitteilte. "Die zunehmende Ausbreitung des Wolfs stellt für unsere Weidetierhalter eine existenzielle Bedrohung dar", betont Bauernpräsident Karsten Schmal.

Zeitplan zur Umsetzung
Bis Mitte des Jahres sollen nun die Schritte für die nationale Umsetzung im Bundesjagdgesetz und im Bundesnaturschutzgesetz erfolgen. CDU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag bereits auf Eckpunkte der Umsetzung geeinigt. Wenn die neue FFH-Richtlinie in Kraft tritt ist sie von den Mitgliedsstaaten binnen 18 Monaten umzusetzen.

Kritik von Naturschützern: "Nur scheinbare Lösung"

Naturschutzverbände halten hingegen nichts davon. Der NABU Hessen kritisiert die EU-Entscheidung. "Die hilft niemandem – am wenigsten den Weidetierhaltenden", sagte der Landesvorsitzende Maik Sommerhage. "Sie bietet nur eine scheinbare Lösung."

Herdenschutz bleibe weiter unerlässlich, um Wolfsrisse möglichst zu verhindern. Damit ist zum Beispiel die Errichtung von Zäunen gemeint. Doch auch diese werden immer wieder von Wölfen überwunden.

Der Nabu befürchtet, Weidetierhaltern könnte der Eindruck vermittelt werden, dass sie bald keine Probleme mehr mit dem Wolf hätten. "Fakt ist: Auch in Hessen müssen wir uns langfristig auf das Miteinander von Wolf und Weidetierhaltung einstellen", sagte Sommerhage.

Abschuss immer noch mit Auflagen

Laut Umweltministerium dürfen nur Wölfe geschossen werden, die Menschen und geschützte Weide- und Haustiere gefährden. Eine automatische Freigabe zu ungeregelten Abschüssen enthält der neue EU-Schutzstatus nicht. Die rechtlichen Hürden seien nun aber niedriger.

In Hessen sei seit dem Jahr 1858 kein Wolf mehr in freier Wildbahn geschossen worden. Nahe der hessischen Landesgrenze wurde aber im August in Unterfranken ein Wolf geschossen.

BUND: Zweifel an Abschuss von wandernden Wölfen

Dem BUND ist die praktische Umsetzung unklar: "Ich habe erhebliche Zweifel, dass die Bundesregierung den Bundesländern den Abschuss von Wanderwölfen, die regelmäßig die Grenzen der Bundesländer überschreiten und 'heute hier und morgen da' sein können, erlauben wird." Wölfe legen teils große Strecken zurück - natürlich auch über Ländergrenzen hinweg.

Der BUND hofft, dass sich die Landesregierung in Wiesbaden abseits der "politischen Propaganda", wie es der hessische BUND-Naturschutzreferent Thomas Norgall nennt, auf die Verbesserungen zum Herdenschutz konzentriert, damit es zu sinkenden Zahlen von Nutztierrissen kommt.

1.600 Wölfe in Deutschland nachgewiesen

Nach dem jüngsten vollständigen Monitoring-Bericht (2023/2024) gibt es fünf Wolfsterritorien in Hessen (ein Rudel, ein Paar und drei Einzeltiere). Das Monitoring für 2024/2025 ist noch unvollständig. In Klärung sind gerade Wolfssichtungen in Greifenstein (Lahn-Dill), Rüdesheim (Rheingau-Taunus) und Spangenberg (Schwalm-Eder).

Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2023/2024 rund 1.600 Wölfe in Deutschland nachgewiesen – Tendenz steigend. Die meisten Tiere befinden sich in Ostdeutschland. Der Bauernverband geht von 1.800 bis 3.300 Tieren aus. Das Europäische Umweltbüro (EEB), ein Dachverband von Umweltorganisationen, schätzt, dass es in Europa mehr als 20.000 Wölfe gibt.