
Hessen Doppelmord auf Korfu: Prozess um Blutfehde startet mit viel Polizei
Er soll einen Doppelmord auf der griechischen Insel Korfu koordiniert haben: Wegen Beihilfe zum Mord steht ein 48 Jahre alter Mann vor dem Landgericht Gießen. Hintergrund soll eine Blutfehde sein. Der Prozess begann mit hoher Polizeipräsenz.
Die Attentäter rückten per Motorboot und auf Quads an, schwer bewaffnet mit Maschinengewehren und 9-Millimeter-Pistolen. Am 23. Juli 2020 wurden mindestens 43 Schüsse auf einen Mietwagen gefeuert, der vor einer Ferienvilla auf der griechischen Insel Korfu parkte. Nach Medienberichten waren die beiden Männer, die darin saßen, wohl gerade vom Strand zurück gekehrt.
Unter hohen Sicherheitsauflagen begann am Montag vor dem Landgericht Gießen ein Prozess wegen Beihilfe zum Doppelmord. Dabei geht es um eine erbitterte Blutfehde zwischen zwei verfeindeten Drogen-Clans aus Montenegro – und um die Rolle eines Familienvaters und Geschäftsmannes aus Gießen darin.
Der 48-Jährige soll von Deutschland aus den Auftragsmord an zwei hochrangigen Mitgliedern eines verfeindeten Drogenkartells koordiniert haben. Er sitzt bereits eine achtjährige Haftstrafe ab. 2023 wurde er in Gießen verurteilt, weil er im großen Stil mit Drogen gehandelt hatte.
Angeklagter soll Logistik für Attentäter abgewickelt haben
Getötet wurden bei dem Attentat ein 46 Jahre alter Serbe und ein 42 Jahre alter Montenegriner. Der Gießener soll laut Anklage Maschinengewehre beschafft und die Logistik organisiert haben, um sechs Männer für die Durchführung der Morde auf die griechische Insel zu schleusen und danach wieder von dort abholen zu lassen.
Mehrere internationale Medien berichteten über den Fall. Demnach soll es mittlerweile auch in anderen Ländern zu Festnahmen im Zusammenhang damit gekommen sein.
Blutfehde von "Balkan-Kartellen" soll seit Jahren bestehen
Im Hintergrund steht laut Staatsanwaltschaft Gießen ein mehr als zehn Jahre andauernder Bandenkrieg um die Vormachtstellung im international organisierten Drogen-Handel zwischen verfeindeten Clans aus einem kleinen Ort in Montenegro. Dort befinde sich aufgrund der geografisch günstigen Lage an der Adria ein zentrales Drehkreuz für internationalen Kokain-Handel, so die Anklage.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es im Zusammenhang mit dem Konflikt europaweit bereits mindestens 50 Todesopfer gibt. Das Vorgehen der Beteiligten wurde dabei als außergewöhnlich brutal beschrieben.
Kryptohandys als Beweismittel
Der Angeklagte soll von Deutschland aus über ein abhörsicheres Mobiltelefon, ein sogenanntes Kryptohandy, agiert haben. Die verschlüsselten und vielfach von Kriminellen verwendeten Handys des kanadischen Anbieters Sky ECC waren Ende 2020 von der europäischen Polizeibehörde Europol gehackt und ausgewertet worden worden.
Auch die vorherige Verurteilung des Mannes wegen Drogenhandels basierte auf den Chats. Im Prozess hatte er bestritten, die Nachrichten geschrieben zu haben und Besitzer eines Kryptohandys gewesen zu sein.
Hunderte Verfahren basieren auf Sky ECC
Sky ECC ist einer von mehreren Messengern, die in den vergangenen Jahren von Ermittlungsbehörden gehackt wurden, weil sie Kriminellen als eine Art "WhatsApp" dienten. Möglich war dies allerdings nur, weil ein französischer Richter erlaubte, Sky ECC umfassend zu überwachen und schließlich zu hacken. Die Ergebnisse wurden deutschen Ermittlern daraufhin zur Verfügung gestellt.
Seitdem häufen sich die Verfahren, die zum Teil sogar ausschließlich auf Beweisen aus den gehackten Chats basieren. Wie das ZDF berichtet, fußen allein in Deutschland 680 Ermittlungen auf den Protokollen von Sky ECC, hunderte Haftbefehle seien vollstreckt worden.
Juristisch ist die Verwendbarkeit jedoch umstritten. Strafverteidiger kritisieren etwa die Überwachung als unverhältnismäßig und anlasslos. Der Sky Ecc-Gründer Jean-François Eap, gegen den in den USA ermittelt wird, bestreitet, dass Sky ECC für kriminelle Nutzer entwickelt worden sei.
Verteidigung stellte umfangreiche Anträge
Auch im Gießener Verfahren kündigte die Verteidigung bereits zum Prozessauftakt an, erreichen zu wollen, dass die Chats als Beweismittel nicht zugelassen werden dürfen. Sie beantragte außerdem vollständige Akteneinsicht in die forensische Dokumentation der europäischen Ermittlungsbehörden.
Die Verteidigung berief sich unter anderem auf ein Landgerichtsurteil aus Berlin vom vergangen Jahr. Das Gericht hatte Chats von Sky ECC für unverwertbar erachtet und den Angeklagten freigesprochen.
BGH: Sky ECC als Beweismittel zulässig
Die Gießener Staatsanwaltschaft nannte die Entscheidung aus Berlin in einer Erwiderung dagegen eine "Mindermeinung", und verwies auf einen Entscheid des Bundesgerichtshofs vom 9. Januar 2025, wonach die Chats zulässig seien. Die meisten Einwände der Verteidigung seien damit bereits höchstrichterlich geklärt, argumentierte die Staatsanwaltschaft.
Der Prozess in Gießen dürfte das Gericht noch bis Oktober beschäftigen.