Izchak Herzog und Frank-Walter Steinmeier

60 Jahre diplomatische Beziehungen Ein Jubiläum unter dem Eindruck des Gaza-Krieges

Stand: 12.05.2025 14:30 Uhr

Vor 60 Jahren begann der diplomatische Neuanfang: Für das Jubiläum ist Israels Präsident Herzog nach Berlin gereist. Bundespräsident Steinmeier würdigte die Freundschaft - und appellierte, sofort Hilfe für den Gazastreifen zuzulassen.

Zwei Jahrzehnte hatte es gedauert, bis Deutschland und Israel erstmals nach dem Holocaust Diplomaten austauschten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland vor 60 Jahren gewürdigt. "Für uns Deutsche war das ein Geschenk, das wir nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und des Zivilisationsbruchs der Shoah nicht erwarten durften", sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog vor dem Schloss Bellevue in Berlin.

Das Fundament der Beziehungen sei tief und tragfähig. "Es trägt die Erinnerung an die Vergangenheit ebenso in sich wie die geteilten Werte zweier liberaler rechtsstaatlicher Demokratien." Steinmeier betonte, vielleicht könne die "ganz und gar unglaubliche deutsch-israelische Versöhnungsgeschichte" selbst ein Hoffnungsschimmer sein. "Frieden ist möglich, Versöhnung ist möglich."

Deutschland als zweitwichtigster strategischer Partner

Am 12. Mai 1965 hatten Bundeskanzler Ludwig Erhard und der israelische Premierminister Levi Eschkol die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Vorausgegangen war eine schrittweise Annäherung beider Staaten, deren Verhältnis durch den Holocaust, die Ermordung von etwa sechs Millionen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, extrem belastet war.

Seitdem haben Deutschland und Israel ein enges Netz politischer, wirtschaftlicher, militärischer, wissenschaftlicher und kultureller Beziehungen geknüpft. Sie werden ergänzt durch einen regen Jugendaustausch und mehr als 100 Städtepartnerschaften. Die jüngste wurde soeben zwischen der deutschen Hauptstadt Berlin und der israelischen Metropole Tel Aviv besiegelt. Israel nennt Deutschland heute seinen zweitwichtigsten strategischen Partner in der Welt - gleich nach den USA.

Herzog: "So verhält sich ein wahrer Freund"

Israels Präsident Herzog zollte Deutschland Anerkennung. Steinmeiers Worte und Taten seien "ein Beispiel und Vorbild für moralische Klarheit, für das mutige Bündnis zwischen unseren Ländern und Völkern". Kurze Zeit nach dem Überfall der militant-islamistischen Hamas auf Israel sei Steinmeier nach Israel gereist und habe seine Solidarität und Unterstützung zum Ausdruck gebracht. "So verhält sich ein wahrer Freund", sagte Herzog.

Man sei stolz auf das Bündnis mit Deutschland und schätze "die tiefe Freundschaft und den deutschen Beitrag zu Israels Sicherheit und Wohlstand sehr".

Steinmeier fordert Ende der Abriegelung des Gazastreifens

Mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen sind die deutsch-israelischen Beziehungen für deutsche Politiker derzeit ein Balanceakt. Bundespräsident Steinmeier forderte Israel erneut auf, umgehend die Lieferung von Hilfsgütern an die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. "Die Blockade für Hilfsgüter muss aufgehoben werden, humanitäre Hilfsgüter, medizinische Hilfsgüter - nicht irgendwann, sondern jetzt", sagte Steinmeier.

Er erkenne das Dilemma, das die Hamas für die israelische Armee verursache, "indem sie sich feige hinter Zivilisten versteckt und dabei weiter Raketen auf Israel abfeuert". Er sehe auch das Dilemma, das die Terrororganisation schaffe, indem sie sich an Hilfsgütern bereichere. "Aber ich befürchte auch, dass das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben immer tiefer macht."

Steinmeier appellierte an Israel und seine regionalen Nachbarn, jetzt die Möglichkeit für eine friedliche Lösung des Konflikts auszuloten. Er habe bei seinen Reisen in die Region eine bislang nicht gesehene Offenheit arabischer Staaten dafür erlebt. "Deshalb gibt es ein Fenster der Möglichkeit, bei dem man testen muss, ob seriös gespielt wird auf allen Seiten." Solche Fenster schlössen sich auch wieder, warnte Steinmeier.

Halbe Million Palästinenser von Hungersnot bedroht

Herzog betonte, "Schlüssel zu allem" sei die Rückführung der Geiseln, die sich noch in der Hand der Hamas befinden. Wenn diese erfolge, werde sich die Situation in Gaza dramatisch ändern. "Von hier appelliere ich an die Menschheitsfamilie: Bringt sie zurück bis zum Letzten", sagte Herzog.

Die Menschen im Gazastreifen sind akut von einer Hungersnot bedroht. Fast eine halbe Million Palästinenser befindet sich in einer katastrophalen Hungersituation, wie die Initiative Integrated Food Security Phase Classification (IPC) mitteilte. Falls Israel die Blockade von Hilfslieferungen für das Küstengebiet nicht aufhebe, drohe diesen Menschen der Hungertod. Eine weitere Million Palästinenser befinde sich in einer Notlage, teilte die für die Einschätzung von Ernährungssicherheit bekannte Organisation mit.

60 Jahre deutsch-israelische Beziehungen: Jubiläumsfeier in Berlin

Demian von Osten, ARD Berlin, tagesschau, 12.05.2025 17:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. Mai 2025 um 12:00 Uhr.